Die systematische Nutzung von Mindfulness als Qualität im Leadership ist besonders in Europa noch sehr jung. Der Mix aus messbaren Forschungsergebnissen und subjektiven Erfahrungswerten in unserem Klientel wie auch bei Kollegen aus aller Welt lässt aber nahelegen, dass wir mit Mindfulness eine vielversprechende Alternative bzw. komplementär wirkende Ergänzung zu anderen Führungskräfte-Entwicklungsmethoden haben. Zudem versetzt diese Methode Führungskräfte in die Lage, ihre Entwicklung eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen, da Coachees und Trainingsteilnehmer Methoden kennen lernen, die sie selbst im Alltag ohne weitere Unterstützung nachhaltig anwenden können.
Achtsames Führen – Mindful Leadership
Mehr EQ, Kreativität, Resilienz, Produktivität…
Führungskräfte aus unserem Kundenkreis berichten über wachsende Kompetenzen im Bereich der emotionalen Intelligenz, der Kreativität, des Umgangs mit Stress und Herausforderung, über erhöhte Aufmerksamkeit und Resilienz, über erhöhte Produktivität und besseres Klima innerhalb des Teams. Der US-Versicherer Aetna und andere Unternehmen in der ganzen Welt haben sogar den Anspruch an sich, „achtsame Unternehmen“ zu werden (und damit mindful leadership). Das ist ein hoher Anspruch, und er realisiert sich natürlich nicht über Nacht. Wir sind aber sicher, dass in der Zukunft immer mehr Unternehmen diesem Anspruch gerecht werden wollen, vom Kleinunternehmer bis zum multinationalen Konzern.
Viele Personalentwickler sehen die vielen Vorteile von Mindfulness, sehen sich aber der Schwierigkeit ausgesetzt, ihren Top-Führungskräften und ihren internen Kunden die Idee zu „verkaufen“. Das liegt vor allem zunächst daran, dass sie sich die Umsetzung nur so vorstellen können, indem sie ihren Kunden ein Meditationsprogramm, also eine formale Übung zur Entwicklung von Mindfulness anbieten. Eine klassische Form einer Meditationstechnik ist etwa, mit geschlossenen Augen zu sitzen und eine gewisse Zeit lang den eigenen Atem zu beobachten. Jedes Mal, wenn man merkt, dass man sich wieder in einer Gedankenwanderung befindet, kehrt man mit der Aufmerksamkeit sanft zum Atem zurück.
Mindful Leadership
So ein Programm nennen manche Unternehmen dann etwa „Mindful Leadership“, es unterscheidet sich aber nicht grundlegend davon, was Sie beim Abendkurs im Meditationszentrum lernen. So etwas gibt es schon vereinzelt besonders in den USA aber auch hierzulande, und Teilnehmer verzeichnen wertvolle Erfolge damit. Nun hat aber Meditation auch eine polarisierende Wirkung. Die Befürchtung vieler PEler ist deshalb, dass die Akzeptanz fehlen könnte, insbesondere beim Top-Management („unsere Führungskräfte lernen jetzt WAS?!?!?!?“), aber auch bei den Mitarbeitern:
Wie können wir den Nutzen erklären? Was, wenn niemand sich anmeldet?
Nicht jeder Mitarbeiter hat Lust oder ist offen dafür, solch ein introspektives Programm mitzumachen. Und wenn ein Programm „verordnet“ wird, gibt es eine gewisse Wahrscheinlichkeit kontraproduktiver Reaktionen: man macht mit, indem man „die Augen schließt und hofft, dass es bald vorbei ist“.
Achtsamkeitsmeditation = Religioses Ritual? NEIN!
Es geschieht dann möglicherweise eine Spaltung zwischen Befürwortern und Gegnern, wodurch das Teamklima nicht besser, sondern schlechter wird, und letztlich bricht man das Programm aufgrund von fehlendem Nutzen ab, wodurch Mindfulness seine Glaubwürdigkeit auf absehbare Zukunft verliert – oder es bleibt halt im Rahmen einer Gruppe von „Insidern“, was einen ähnlichen Effekt haben dürfte. Diese Befürchtungen sind sicher berechtigt. Eine weitere absolut berechtigte Befürchtung ist, dass mit dem Thema Mindfulness ein „buddhistischer Touch“ in die PE einfließen könnte. Leider sind heute mehr und mehr Achtsamkeits-Experten davon überzeugt, dass man zusätzlich zum Training der Achtsamkeit als einer „Metakompetenz“ auch buddhistische Verhaltensrichtlinien und Mindset-Training wie „mitfühlende / mitleidige / erbarmungsvolle Führung“ (mögliche Übersetzungen der angelsächsischen Idee von „Compassionate Leadership“, die teils auch hierzulande reflektiert wird) gehören sollten.
Wissenschaft bestätigt Wirkung
Wir sagen: Wenn die Führung des Unternehmens dies im Leitbild möchte und die Aktionäre das befürworten, ist das ihr gutes Recht. Wir allerdings bieten Mindfulness als wissenschaftlich erforschte, Mehrwert bringende Kompetenz der Entfaltung des Leistungspotentials an, frei von jeglichem ideologischem Gepäck. So leben wir Mindfulness auch privat, frei von jeder Ideologie.
Mindfulness nicht als abgesonderte Maßnahme
Für uns macht Mindfulness außerdem als Entwicklungsmaßnahme nur dann Sinn, wenn die sich Entwickelnden wissen, wie es ihnen im Alltag konkret helfen kann. Deshalb bieten wir Meditation nur als „Einstiegs-Lerntool“ an, um anschließend auf Basis erster Erfahrungen mit Mindfulness als „Technik“ zu Mindfulness als „gelebter Qualität“ übergehen zu können. Dann geht es um achtsames Zuhören, achtsame Kommunikation, inklusive achtsamer Email, achtsamem Feedback, achtsamen Meetings usw. Damit meinen wir nicht, dass die Runde meditiert anstatt ihre Agenda durchzusprechen. Vielmehr geht es uns darum, dass Teilnehmer
für sich selbst erfahren, welchen Unterschied es macht, ob ich in meiner Kommunikation in Meetings von der Amygdala (Angriff, Verteidigung, Rückzug, Erstarrung, also Verweigerung der Teilnahme) dominiert bin, oder ob ich achtsam zuhöre und etwa den Raum zwischen Reiz und Reaktion nütze, um intelligente Verhaltensalternativen zu reflektieren.
Die Herausforderungen der Führungskräfte werden jeweils unter dem Aspekt angegangen, aus eigener Erfahrung zu merken, welchen Mehrwert Mindfulness als Metakompetenz in den unterschiedlichen Situationen bringen könnte. Jeder kann dann für sich selbst entscheiden, wann es sinnvoll sein könnte, Mindfulness in den Alltag zu transportieren – was natürlich leichter entschieden als umgesetzt ist. Denn bei allem Erstaunen, das die Forschungsergebnisse zu Mindfulness produzieren, bleibt es immer noch für jeden ein lebenslanger Anspruch, im Alltag Mindfulness als Qualität zu leben. Auch wir haben diesen Anspruch, auch wir sind darin nicht perfekt. Und so bleibt das Leben spannend – in diesem Sinne ist, wenn man mag, das sprichwörtliche „lebenslange Lernen“ wort-wörtlich zu nehmen!
Der erste Teil des Artikels finden Sie
Mehr Spitzenleistung & Buchtipp
Dies ist der zweite Teil des Gartartikels von Peter Creutzfeldt exklusiv für LernenDerZukunft.com
Zudem haben die beiden ein sehr empfehlenswertes Buch im Verlag der FAZ veröffentlicht:
- Creutzfeldt, P. & Notebaert. K. (2015). Wie das Gehirn Spitzenleistung bringt: Mehr Erfolg durch Achtsamkeit – Methoden und Beispiele für den Berufsalltag. FAZ Buch.
- Creutzfeldt, P. (2018) (Selbst-)Führen in der Arbeitswelt 4.0 Mehr Erfolg durch Achtsamkeit – Methoden und Beispiele für den Berufsalltag, FAZ Buch
- Business Erfolg beginnt mit Selbstführung
Peter Creutzfeldt ist Gründer von „Working in the Zone“ und begleitet jedes Jahr rund 1000 Führungskräfte als Development Professional und Coach in Teamentwicklungsmaßnahmen und im Mindful Leadership. Dabei greift er auf seine eigene 15-jährige Führungserfahrung zurück und verhilft damit Entscheidern aus Hochleistungsorganisationen zu einer „Mindful High Performance“.