Wie funktioniert das Gehirn?

Das Gehirn verstehen – Hirnforschung im Laufe der Zeit

Eine der großen Herausforderungen für alle Wissenschaftler ist die Erklärung ihres oftmals in Jahrzehnten erarbeiteten Fachwissens. Und insbesondere bei solch komplexem wie dem menschlichen Gehirn wird es spannend, welche Wege gewählt werden, um uns das Gehirn zu erklären.

Birkenbihls Gehirn-Modelle als Fallbeispiel

Wenn wir von gelungener Wissenschaftskommunikation sprechen wollen, MUSS ich an dieser Stelle natürlich meine langjährige Mentorin Vera F. Birkenbihl nennen. Sie hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, dem „Otto Normalverbraucher“ Zugang zu elitärem wissenschaftlichen Wissen aus dem „Elfenbeinturm“ allgemein verständlich“ zu machen (ohne dabei zu sehr zu vereinfachen). (Mehr zu Wissenschaftskommunikation wie wir Fachwissen gehirn-gerecht erklären)

Mr. Links und Mr. Rechts

Zu Beginn ihrer Laufbahn war „Wie funktioniert das Gehirn“ noch auf die damalige wissenschaftliche Erkenntnis basiert, dass wir Ratio und Emotio getrennt im Gehirn links und rechts verorten könnten:

Vera F. Birkenbihl bediente sich gerne verschiedener Metaphern. Es begann in den 1980/90ern mit dem Modell des Mr. Links und Mr. Rechts als Repräsentanten der damals gängigen Unterteilung des linken und rechten Gehirnhälften. Dabei galt links als analytisch und rechts als emotional, Bilder gesteuert.

Ich „sah“ damals geradezu „Mr. Links“, der die Worte digital verarbeitet, während „Mr. Rechts“ die Bilder dazu generiert. Zwei Generationen später wissen wir, daß vor allem Männerhirne stark „lateralisiert“ sind (weil Frauen auch im Kopf mehr miteinander „reden“, das heißt ihre Gehirnhälften kommunizieren sehr viel direkter), so daß ich das Modell der beiden „Mr.“ im Gehirn fallen ließ. In der Zwischenzeit hatte ich aber bereits zahlreiche zusätzliche Fakten integriert und jahrelange Versuche durchgeführt, so daß neue Modelle die alten ersetzten konnten.

Vera F. Birkenbihl. Sprachenlernen leicht gemacht

Der HoRmo sapiens. Reptiliengehirn und co.

Dazu kam die Annahme dass wir vom Stammhirn (Repitiliengehirn) aus die unbewussten Vorgänge, Atmung Verdauung etc.. Es arbeitet viel schneller als das Denkhirn (Neocortex) das zu begreifen in der Lage ist. Verbunden sind die beiden Gehirnbereiche durch das Limbische System (Säugergehirn) als Sitz der Gefühle (Lust oder Frust). Eben dort werden die berühmt berüchtigten KAMPFHORMONE ausgeschüttet (im Gegensatz zu den FREUDE-Hormonen).

Innerhalb diese Modells des dreieinigen Gehirns folgt dann noch das „Neusäugerhirns„, Großhirnhirne, Neocortex. Dadurch sind die Säugetiere in die Lage versetzt worden, sich nicht mehr nur allein der Befriedigung ihrer primären Bedürfnisse zu widmen. Dermaßen ausgestattet war nun erstmals Verhalten ohne Ernstbezug möglich, Spielen genannt. Auch einsichtiges und kreatives Handeln wurde möglich.

Das Wissensnetz-Modell & Neuroplastizität

Wie funktioniert das Gehirn aber nun, wenn wir neue Erkenntnisse mit einbeziehen?

Später bediente Vera F Birkenbihl sich dann der Metapher des Wissensnetzes, weil die Kommunikation innerhalb des Gehirns über neuronale Bahnen (Nervenbahnen) statt findet und diese je nach Gebrauch neu gebildet werden. So kam sie darauf diese neu gebildeten neuronalen Bahnen als „neue Fäden im Netz“ zu bezeichnen und mit zunehmender Komplexität. Dank Dave Perkins‘ Erkenntnisse, dass wir neben den Erbanlagen auch noch selbst die Methoden wählen können (am besten als GEHIRN-GERECHTE Methoden) und der Erkenntnis der Plastizität des Gehirns (wir können IMMER unser Gehirn weiter verändern, dazu lernen bis wir „in die Grube fahren“)

Das Innere Archiv

In ihren späteren Jahren ergänzte Vera. F. Birkenbihl diese Wissensnetz-Metapher dann noch durch die Mückenschwärme und das Innere Archiv, in dessen Schubladen wir all unser Wissen und unsere Erfahrungen abgespeichert mit uns herum tragen. Je mehr Mücken man zu einem Thema habe, desto mehr Wissen. Es folgten noch weitere, dazu aber in Kürze mehr. Und auch dazu, wie Sie selbst Metaphern für Ihre Themen finden können.

Ein neues Paradigma des Gehirns

Die Frage nach dem „Wie funktioniert das Gehirn“ wurde also über die Jahrzehnte hinweg fortwährend anders beantwortet Durch den Prozess der Entwicklung der Metaphern von Vera F Birkenbihl fand ich auch einen spannenden Aspekt: In den 1980ern und frühen 1990ern waren wir viel mehr dem „alten Gehirn“ (Reptiliengehirn) ausgeliefert gewesen. Bei Mr. Links und Mr. Rechts (Hemisphärenmodell) hatten wir immerhin schon die Möglichkeit zum Dialog dazu bekommen. Doch mit dem Schritt zum selbst aufbaubaren WissensNETZ konnten wir nun endlich selbst Einfluss nehmen auf die zum Denken notwendigen Inhalte. Diese bauen einerseits auf den MINDSET (vgl Carol DWECK), also unser Selbstbild, unser Selbstverständnis, als WER wir in dieser Welt wirken können und wollen und andererseits auf Fachwissen.

Schlüssel zur Schatzkiste Gehirn

In meiner Recherche fand ich Ihnen hierzu sieben Schlüssel, um die Schatzkiste Gehirn zumindest ein kleines bisschen aufzuschließen (vgl FUCHS):

  1. Praktisch alle Nervenbahnen verlaufen von unseren Sinnesorganen direkt zum Stammhirn. Also alles, was wir wahrnehmen wird über unser Gehirn gefiltert. 24/7 365 Tage/Jahr
  2. Wir entscheiden stets EMOTIONAL und NICHT rational
  3. Unser Großhirn wurde evolutionär NICHT zum DENKEN kreiert, sondern zum Be-GREIFEN. Leben & Überleben ist die Devise. Laufen, jagen, Kämpfen, essen, vermehren 😉
  4. Bei den Frühmenschen was das Großhirn mit der Speicherung sämtlicher Bewegungsvorgänge befasst, was das Großhirn zu einer Art „Big Data Speicher“ macht. So entstand das ICH Bewusstsein und das ZEITempfinden. Aber auch Kreativität und Fantasie wurden dadurch erst möglich. Erfahrungswissen haben auch schon andere Tiere. Den Menschen zeichnen eben diese Fähigkeiten zu Kreativem und fantastischem Denken aus.
  5. Der Mensch ist die einzige Spezies, die absichtlich andere Exemplare der eigenen Spezies tötet. Menschen können in die Zukunft projizieren, dadurch auch planen. Tiere leben im Hier und Jetzt.
  6. Unser Großhirn lässt uns leicht dressierbar sein… so entstanden Hierarchien und das Recht des Stärkeren konnte über den Verstand durch das Recht der Gesetze ersetzt werden (manchmal 😉 )
  7. Für unsere Gehirn „Hardware“ werden fortwährend neue Software geschaffen, Apps, die auf jedem Großhirn Smartphone laufen: heißt, dass wir immerzu lernfähig sind (Neurogenese): wir können lebenslang dazu lernen, Sprachen, Fertigkeiten und Fähigkeiten (Zeichnen, Tanzen, Instrumente…)

Lese- und Schautipps

Einer der wirklich guten Erklärer im deutschen Sprachraum ist wohl Prof. Manfred Spitzer, genauso wie Martin Korte, aber auch Henning Becks Bücher gefallen mir gut. Den Aspekt, wie Bewegung sich positiv aufs Gehirn auswirkt beschreibt Manuela Macedonia in unnachahmlich unterhaltsamer Weise. Das Hormonsystem und die Wirkungen auf unser Gehirn erklärt Franca Parianen super unterhaltsam.

In diesem Sinne ein kleiner Streifgang durch dieses immer bekannter werdende unbekannte Organ, das uns jeden einzelnen Gedanken beschert und wohl auch am Entstehen so mancher Depression und Glücksgefühle beteiligt ist 😉

Birkenbihl, Vera F. Das innere Archiv: Steigern Sie Ihre Intelligenz durch nachhaltiges Gehirnmanagement

Dweck, Carol. Selbstbild: Wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt

Fuchs, Jürgen. Willkommen in der Gehirn-WG. Warum wir tun was wir tun privat und im Beruf. So funktionieren Gehirn und Emotionen.

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