World Café – die Weisheit der Vielen nutzen

Gemeinsam mehr erreichen

Kürzlich war ich Teilnehmer des von der Tiroler Wirtschaftskammer (bei der ich während meiner Schulzeit/beginnenden Studienzeit arbeiten durfte 🙂 ) erstmals veranstalteten Tiroler Unternehmertages und bekam dort einige wichtige Denk-Impulse, die ich an dieser Stelle gerne mit Ihnen teile. Zudem bekommen Sie noch eine Methode, die Ihnen hilft, die individuellen Fähigkeiten einzelner Mitglieder innerhalb einer Gruppe nutzbar zu machen.

Networking – Solopreneure dürfen kooperieren

Zuerst gab es die Möglichkeit, sich zwei Vorträge auszuwählen, um dann in Folge in der Großgruppe Ideen zu generieren. Die Idee einer Vernetzung schwebte gefühlt über dem Event. Auch EPUs (Solopreneure, Einzelunternehmer) dürfen sich ein Netzwerk aufbauen, einander zur Seite stehen.

Kollektive Intelligenz
Andreas beim Zeichnen – Kollektive Intelligenz nutzbar machen Foto: WKT/Die Fotografen

Die Weisheit der Vielen – wissenschaftlich untermauert

Als erstes hörte ich mir Kurt Matzler an, der Ihnen als regelmäßiger Leser von LernenDerZukunft schon bekannt ist: So habe ich für Sie an dieser Stelle schon vor einigen Jahren „Enduring Success Was Top Unternehmen anders machen“ veröffentlicht und dabei die  von ihm  wissenschaftlich erforschten Erfolgsstrategien der besten Unternehmen aufbereitet. In seinem Vortrag zitierte er unter anderem ein Experiment des Sir Francis Galton, der als Mitbegründer der Psychologie als Wissenschaft gilt. Dieser wollte mit dem Experiment eigentlich nachweisen, wie dumm die Masse eigentlich sei, doch belegte damit das Gegenteil:

Er belegte, wie Besucher der westenglischen Nutztiermesse des Jahres 1906 im Rahmen eines Gewinnspiels das Schlachtgewicht eines Ochsen genau schätzten, wenn man als Schätzwert der Gruppe den Mittelwert aller 787 Schätzungen annahm.  Das Mittel aller Schätzungen (1207 Pfund) kam dem tatsächlichen Gewicht des Ochsen (1198 Pfund) mit einer Abweichung von nur 0,8 Prozent erstaunlich nahe. Die Schätzung der Gruppe war sogar besser als die jedes einzelnen Teilnehmers, darunter manche Experten wie z.B. Metzger. In diesem Fall zeigte sich erstmals „wissenschaftlich untermauert“ die Weisheit der Vielen.*

Hinterfragen von Regeln der Wirklichkeit –  die Affen-Bananen Story

Den nächsten Vortrag hielt Hannes Treichl (Meuterei des Denkens), der vor allem auf die subjektive Konstruktion der jeweiligen Wirklichkeit einging und dabei die Affen-Bananen-Geschichte (vgl. Birkenbihl on Management) nacherzählte:

Stellen Sie sich einen (affengerechten) Käfig vor, in den vier Affen gesetzt werden. In der Mitte des Käfigs hat man einen baumartigen Pfahl angebracht, der bis zur Decke reicht. Am oberen Ende befindet sich eine schöne, Staude voll reifer Bananen. Sofort stürmte der ersten Affe den Pfahl nach oben, um sich an den süßen Früchten zu bedienen. Allerdings war neben den Bananen ein Duschkopf untergebracht, der sobald die Affen weiter oben ankamen, eisig kaltes Wasser auf sie sprühte. Dem zweiten, dritten und vierten erging es ähnlich. So lernten alle vier Affen sehr schnell, dass manche Früchte einfach unerreichbar sind. Danach stellte man den Duschkopf ab und tauschte nach einer Woche einen Affen der „alten“ Generation gegen einen neuen Affen aus. Der neue Affe sieht die Bananen und rennt los, um sich welche zu sichern.

Doch die anderen Affen halten ihn fest, um ihn vor dem grausig kalten Wasser zu bewahren.

Dasselbe passiert auch in den folgenden Wochen. Dabei wird zudem jeweils ein „alter“ gegen einen „neuen“ Affen ausgetauscht, sodass nach fünf Wochen nur noch Affen der neuen Generation übrig bleiben… und der Duschkopf schon lange komplett abgeschaltet ist. Doch weiterhin bekommt kein Neuer die Chance, sich die Bananen zu holen…

Es zeigt sich: Nicht immer ist die Gruppe also der beste Ratgeber. Das Hinterfragen „Ist unser Verhalten noch angemessen?“ kann nicht nur Hunger stillen, sondern ganze (unternehmerische) Leben retten.

Vom Mut neue Wege zu gehen

Nun folgte der groß angekündigte Teil, der die Entscheider der Wirtschaftskammer wohl einiges an Mut gekostet hat, da hierbei das Auditorium von Zuhörenden zu Teilnehmern konvertiert wird. Allen voran betonte dies Jürgen Bodenseer, seines Zeichens grandios erfolgreicher „Serial Entrepreneur“, Präsident der WK Tirol und an der Spitze des Wirtschaftsbundes stehend.
Dabei saßen wir (500 Teilnehmenden) jeweils an 4er Tischen, auf denen eine papierene Tischdecke platziert worden war, damit wie unsere Gedanken visuell festhalten konnten. Wir diskutieren für eine vorgegebene Zeit über ein Thema (bspw. 10 Minuten). Dabei sollten wir am Tisch zeichnen und schreiben, um dann drei der 4er-Gruppe wieder weiter zum nächsten Tisch wechseln zu lassen und nur einer der ursprünglichen Gruppe jeweils zurückblieb.

Zukünftige Kommunikationskultur ist gekennzeichnet durch effektive Dialoge, echten Kontakt, kurze Wege und Synergien, die solide Lösungen für die Zukunft entstehen lassen. (Neuland, 2011)

Nutzen kollektiver Kreativität – Vom Zuhörer zum Teilnehmer

Das World Café ist eine aus den USA stammende Dialogmethode für Großgruppen und soll zur kreativen Erkundung einer Problemstellung dienen bei der das kollektive Wissen der Gruppe genutzt wird.

[…] Nutzbarmachung kollektiver Kreativität im Besonderen. Stellen wir uns einmal mehrere formelle oder informelle Teams vor, deren Zusammenarbeit darin besteht, in einem großen Caféhaus »Tischgespräche« zu führen … wo die Leute zwanglos von einem Cafétisch zum anderen wandern und sich die einzelnen Teams in vernetzten Gesprächen, an denen sie beteiligt sind, mit den anderen Teams austauschen und sich auf diese Weise gegenseitig beeinflussen. (Senge, Peter: 2005)

Warum das World Café?

Als sinnvoll erweist sich ein World Café in erster Linie dann, wenn Begegnung in Kombination mit einem  hohen Maß an Austausch und Beteiligung ermöglicht werden soll. Durch den wiederkehrenden Wechsel von einer Gruppe zur nächsten und dabei der Bearbeitung verschiedener aufeinander aufbauender Fragestellungen wächst die Qualität der Erkundung und des gemeinsamen Dialoges.
Grundsätzlich gilt, dass je heterogener (unterschiedlicher) die Gruppe in ihren mitgebrachten Voraussetzungen ist, desto spannender und ertragreicher kann ein solches Instrument seine Wirkungen entfalten:

Das World Café ist somit eine sehr geeignete Workshop- bzw. Dialogmethode, wenn es um den Einstieg in ein wichtiges Thema oder um die Reflexion konkreter Fragen geht. Wer ein World Café in einer sehr heterogen durchmischten Teilnehmergruppe einsetzt, wird mit den richtigen Fragen und ein wenig Geschick bei der Begleitung, die kollektive Intelligenz eines ganzen Systems in den Raum holen. In solchen Momenten kann ein World Café einen Meilenstein für die Entwicklung einer Organisation darstellen. (Senge, Peter: 2005)

Emergenz – wenn Neues entsteht

Emergenz ist ein Begriff aus der Komplexitätstheorie und beschreibt einfach gesagt nichts anderes, als dass etwas neues entsteht was den Einzelteilen zuvor nicht innegewohnt hatte. Vera F. Birkenbihl führte hierbei stets das Bsp. von Wärme an: Wenn die Schwingungsfrequenz der Moleküle zunimmt entsteht Wärme. Jedoch war dieses Epiphänomen Wärme zuvor in keinem der einzelnen Moleküle vorhanden gewesen… Beeindruckend, nicht wahr?

Der Lauf unserer Geschichte folgt dem Weg unserer Wünsche. (Humberto Maturana, Biologe)

Und ist diese World-Café Großgruppen-Methode nun die zu allem fähige „eierlegende Wollmilchsau„? Nein, natürlich nicht, jedoch werden dabei Assoziationen zutage gefördert die weder der einzelne in sich trägt, noch in einem Gespräch unter gleich- oder ähnlich gelagerten herauskommen würden.

Zu diesen Themen folgen in LernenDerZukunft noch weitere Artikel, wenn Sie sich jedoch jetzt schon vertiefen oder gar erste Gehversuche damit machen wollen, empfehle ich folgende Literatur als ersten Einstieg

Quellen und weiterführend

*(ergänzende Quellen wikipedia und Galton 1907 vox populi)