Bauchgefühle
Wann hatten Sie zum letzten Mal “Schmetterlinge im Bauch“ und geht bei Ihnen die Liebe dann auch „durch den Magen“?
Wie oft bereiten Ihnen wichtige Entscheidungen „Bauchschmerzen“ oder hören Sie dann lieber auf Ihr „Bauchgefühl“?
Und wenn etwas schiefgeht, bekommen Sie dann eher einen „nervösen Magen“ und müssen die schlechten Nachrichten „erst einmal verdauen“ oder verursachen solche Situationen bei Ihnen regelmäßig eine ordentliche „Wut im Bauch“?
Es ist erstaunlich, dass der Volksmund die Zusammenhänge zwischen Darm und Emotionen schon so lange kennt, die Wissenschaft aber gerade erst beginnt, den Einfluss des Verdauungstraktes auf unsere psychische Verfassung zu erforschen.
Dass unsere Eingeweide sich mit uns freuen, wenn wir unsere Liebsten sehen, bei Prüfungen mitzittern oder sich vor Angst und Furcht zusammenziehen, weiß sicherlich jeder aus eigener Erfahrung. Doch dass unser Gedärm auch verantwortlich sein könnte, wenn wir unter Depressionen leiden, uns über unsere Ängstlichkeit und Zurückhaltung ärgern oder dem Stress einfach nicht mehr so gut gewachsen sind wie früher, das ist neu. Über die Ursachen von Aufmerksamkeitsstörungen (ADHS) und Autismus bei Kindern herrschte lange Zeit Unsicherheit.
Inzwischen hat man jedoch herausgefunden, dass auch hier ein Teil des Problems im Darm zu finden ist.
Bauch und Kopf – ziemlich beste Freunde
Bauch und Kopf kommunizieren pausenlos miteinander und deren Konversation sorgt offensichtlich für einen unterschwelligen Stimmungsteppich, der sich meist unbewusst, aber dennoch spürbar auf unser Befinden auswirkt. Die Verständigung ist nicht einseitig.
Der Darm macht mithilfe von Nervenverbindungen, Hormonen und Botenstoffen Meldung ans Oberstübchen und der Kopf teilt bei Stress, Aufregung und Freude seine Emotionen mit den Eingeweiden. Noch sind nicht alle Details dieser Unterhaltung bekannt, doch inzwischen ist gut belegt, dass sich mentale Probleme wie Stress und Ängste auf das Verdauungsorgan auswirken können und – umgekehrt – Störungen der Darmflora, Darmerkrankungen oder Magen-Darm-Infekte auch zu Chaos im Kopf führen können.
Ganz wichtige Verbindungsleute auf der Darm-Hirn-Achse sind die 100 Billionen Darmbakterien, die wir in unserem Verdauungstrakt beherbergen. Kein anderes Organ im Körper reagiert so empfindlich auf Signale aus der Körpermitte und auf Veränderungen der Darmflora wie unser Gehirn.
In der Vergangenheit hatten wir ein eher negatives Bild von Bakterien. Im Mittelalter haben Pestbakterien 1/3 der Bevölkerung ausgerottet, Diphterie, Scharlach und Tuberkulose waren vor der Antibiotika-Ära gefürchtete Krankheiten.
Erst seit wenigen Jahren bekommen wir einen deutlich positiveren Blick auf Mikroorganismen, vor allem auf die Darmflora (Mikrobiom). Denn diese Winzlinge haben eine Mission: Sie sollen unsere Gesundheit stärken und unser Wohlbefinden steigern.
Neue Einblicke in den Mikrokosmos
Lange Zeit hat man das Mikrobiom, so bezeichnet man die Gesamtheit der Bakterien in unserem Darm, völlig unterschätzt und ihm an Aufgaben nicht mehr zugetraut, als unverdauliche Speisereste zu zerlegen. Doch in unserem Körper ist von Haus aus nichts unnötig oder überflüssig. Deshalb würde unser Organismus kein Billionen- Bakterien-Heer unterhalten, wenn diese lediglich die Arbeit von ein paar Verdauungsenzymen übernehmen müssten. Bis vor wenigen Jahren konnte man den größten Teil der Darmkeime labortechnisch noch gar nicht nachweisen und wusste deshalb nur wenig über ihren verborgenen Kosmos.
Der Grund: Die meisten Bewohner unseres Gedärms sind sogenannte Anaerobier, das heißt, Sauerstoff ist für sie tödlich. Deshalb lassen sie sich auch nicht auf einem Nährboden im Labor anzüchten. Doch seit rund zehn Jahren erlauben uns neue Analyseverfahren tiefe Einblicke in die beeindruckende Lebenswelt der Darmkeime. Und plötzlich stellen wir fest: Der Einfluss dieser Bakterien reicht weit über den Darm und das Verdauen von Nahrung hinaus.
Der Darm steuert uns und unsere Gesundheit in einer Weise, wie sie uns noch vor wenigen Jahren unvorstellbar war. Und unsere Darmflora scheint eine mindestens ebenso große Bedeutung zu besitzen wie ein eigenes Organ, wenn ihr nicht sogar die Funktion einer Steuerzentrale, ähnlich dem Gehirn, zukommt.
Eine Störung der Darmflora scheint mit zahlreichen Erkrankungen wie Übergewicht, Zuckerkrankheit, Allergien, Depressionen und vielem mehr in Verbindung zu stehen.
Glückshormone aus dem Darm
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Der Darm und seine Mikroorganismen leisten Tag für Tag einen wichtigen Beitrag für unser tägliches Quäntchen Glück. Der Darm stellt die Ausgangsstoffe für zahlreiche Glückshormone zur Verfügung oder produziert sie gleich selber. Die Darmflora synthetisiert
- Fettsäuren
- Vitamine
- Sättigungshormone
- Glücksbotenstoffe oder
- entzündungshemmende genauso wie
- entzündungsfördernde Substanzen.
Diese „Chemikalien“, nutzt das Gehirn, um unser Gedächtnis, unsere Emotionen und unsere Stimmung zu regulieren. Was in dem großen Bioreaktor brodelt, hängt davon ab, was wir essen und von welchen Bakterienstämmen der Darm besiedelt wird. Die Ausgangsstoffe kommen von unseren Tellern. Der Darm verbindet quasi den Kochtopf mit dem Gehirn.
Oxytocin
Und unser Befinden, unsere Stimmung und Emotionen sind tatsächlich reinste Chemie: Wenn es dunkel wird, macht uns Melatonin müde. Das Hochgefühl nach dem Sport verdanken wir Dopamin und Serotonin und wenn wir unseren Schatz in die Arme nehmen und uns sicher und geborgen fühlen, nennen Romantiker das Liebe, rationale Menschen nennen es Oxytocinausschüttung.
Bleiben wir mal beim Oxytocin. Oxytocin ist der Kitt, der zwischenmenschliche Beziehungen zusammen hält. Oxytocin nimmt die Angst und schafft Vertrauen und Bindung. Wir vertrauen unseren Eltern, dem Partner, dem Piloten, in dessen Maschine wir steigen und dem Chirurgen, der uns operiert. Gebildet wird dieser wunderbare Botenstoff im Gehirn. Doch angeregt werden kann die Produktion dieses Keims durch die richtigen Darmbakterien. Der Milchsäurebakterienstamm Lactobacillus reuteri ist in der Lage, aus dem Darm heraus über den Nervus vagus die Produktion des Kuschelhormons anzuregen. Das hat zumindest im Tierversuch funktioniert. Aber vieles deutet darauf hin, dass auch wir mit den richtigen Keimen zu sozialeren und liebevolleren Menschen werden.
Serotonin
Das Glückshormon Serotonin ordnen wir vor allem dem Gehirn zu, denn dort bewirkt es Wohlbefinden und Zufriedenheit und verbessert gleichzeitig die Konzentration. Doch der Eiweißbaustein Tryptophan ist der notwendige Ausgangsstoff für die Produktion des Glückshormons und dieser Grundstoff kommt aus dem Darm. Tryptophan gelangt über das Blut zum Gehirn und kann hier sehr gut die Blut-Hirn-Schranke überwinden.
Nur wenn der Darm ausreichend Tryptophan bildet, kann das Gehirn diesen Grundstoff für die eigene Serotoninproduktion nutzen und unsere Stimmung aufhellen. Menschen, die unter Depressionen leiden, mangelt es oft nicht nur am Glückshormon Serotonin, sondern sie haben auch weniger zufrieden machendes Tryptophan im Blut als Gesunde. Das konnten japanische Wissenschaftler kürzlich feststellen. Manipuliert man die Zusammensetzung des Mikrobioms, verändert sich dadurch auch die Konzentration der Aminosäure Tryptophan im Blut.
Stress, Darmentzündungen oder Störungen der Darmflora senken den Tryptophanspiegel und können dadurch Depressionen begünstigen. Die Menge dieser stimmungsaufhellenden Aminosäure lässt sich durch einen bestimmten Keim, nämlich Bifidobacterium infantis, erhöhen.
Bakterielle Stressbremse
Auch der Stresshormonspiegel steht zum Teil unter der Kontrolle des Mikrobioms.
- Zu Studienzwecken aßen Frauen vier Wochen lang zweimal täglich einen Joghurt, der einen speziellen Bakterienmix (Bifidobacterium animalis subsp Lactis, Streptococcus thermophiles, Lactobacillus bulgaricus, Lactococcus lactis subsp Lactis enthielt.
- Eine weitere Gruppe verzehrte einen Joghurt ohne Bakterien.
- Die dritte Gruppe aß keinerlei Joghurt.
Nach vier Wochen Genuss des probiotischen Milchprodukts fühlten sich die Teilnehmerinnen nicht nur subjektiv wohler, waren weniger ängstlich und gestresst, sondern auch deren Stresshormonspiegel sank messbar ab. Schaute man dann mithilfe bildgebender Verfahren den grauen Zellen bei der Arbeit zu, ließ sich feststellen, dass die „guten“ Bakterien sich auch nachweislich positiv auf die die Gehirnaktivität auswirkten.
In einer eigenen Studie konnten wir ebenfalls durch eine achtwöchige Gabe eines Synbiotikums (Madena Darmkur: Produkt mit 6 Bakterienstämme, 3 präbiotische Ballaststoffe) eine signifikante Senkung des Cortisolspiegels in der Behandlungsgruppe erzielen. Im gleichen Zeitraum stieg der Stresshormonspiegel in der Plazebogruppe sogar noch an.
Diese Beispiele zeigen, dass wir die Effekte eines gesunden Mikrobioms auf unser psychisches Wohlbefinden gar nicht hoch genug einschätzen können. Mit Hilfe einer darmfreundlichen Ernährung und evtl. Pro- oder noch besser synbiotischer Präparate kann man die Darmflora bei Laune halten.
- MADENA Darmkur | Nahrungsergänzungsmittel |resistente Stärke | Bifidobacterium breve, Bifidobacterium lactis, Lactobacillus casei, Lactobacillus gasseri, Lactobacillus plantarum, Lactobacillus rhamnosus
- Axt Gadermann, M. (2014). Schlank mit Darm: Mit der richtigen Darmflora zum Wunschgewicht
- Axt Gadermann, M. (2015). Schlank mit Darm: Das 6-Wochen-Programm. Das Praxisbuch
- Axt Gadermann, M. (2016). Schlau mit Darm: Glücklich und vital durch ein gesundes Darmhirn
- Axt Gadermann, M. (2017). Schön mit Darm: Strahlendes Aussehen durch einen gesunden Darm
- Axt Gadermann, M. (2018). Schlank mit Darm Kochbuch: 100 Rezepte für eine gesunde Darmflora
Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann ist Ärztin und Professorin für Gesundheitsförderung an der Hochschule Coburg. Dort erforscht sie unter anderem die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Darmbakterien und Gesundheit. 2016 hat sie das lizensierte Ernährungsprogramm „Schlank mit Darm“ entwickelt, das von den gesetzlichen Krankenkassen bezuschusst wird. Weitere Themen, über die die Medizinerin regelmäßig schreibt, sind Ernährung, Hauterkrankungen und Better Aging. Michaela Axt-Gadermann lebt mit Mann und Kindern in der Nähe von Fulda. https://schlank-mit-darm.de