Kreativität aus dem Unterbewusstsein

Wir sind geboren, um kreativ zu sein.

Im Interview zu dem neuen Buch „Kreativitätsboost für Ihr Marketing – Neue Wege der Ideenfindung  gibt der Kreativitäts- und Lernexperte Andreas K. Giermaier wertvolle Einblicke in seine kreativen Erfolgsgeheimnisse.
Lesen Sie in dem exklusiven Interview-Auszug mit Andreas K. Giermaier,  was es mit dem Kreativitätsboost „Schaukeln“, Zufallsfunden wie der Pockenimpfung und der Benjamin Blümchen Toröö Formel für Kreativität auf sich hat. Andreas, der der u.a. von seiner langjährigen persönlichen Mentorin und einer großartigen Vordenkerin Vera F. Birkenbihl viel über Kreativität lernen durfte, gibt wertvolle Impulse: Zum Beispiel,

  • wie wir unsere logisch denkenden Schranken durchbrechen können und
  • statt mit Drogen mithilfe von Neugierde, den richtigen Aminosäuren und Mentaltechniken unser „natürliches und kreatives“ Drogenlabor im Gehirn aktivieren…
  • Und wer lieber abtauchen möchte, findet Einsichten, inwiefern Kraulschwimmen bei der Ideenfindung hilft.

Viel Vergnügen und kreative Aha Momente!

kreativität
Kreativitäts-Expertin Sarah Remmel gibt es nur im Paket mit ihrer Tochter Maila

Interviewauszug zu Kreativität aus dem Unterbewusstsein

Sarah Remmel: Lieber Andreas, ich habe dich als sehr wissbegierigen und höchst kreativen Menschen kennengelernt. So bist du Experte auf gleich mehreren Gebieten: Du hast einen wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund mit der Spezialisierung in deinem Master auf Online-Marketing, besitzt eine große Expertise in Psychologie und Neurobiologie und hast zugleich auch tiefes Wissen rund um die Themen gehirngerechtes Lernen und gelingendes Leben. Als Wirtschaftspädagoge hast du Konzepte für gehirngerechtes E-Learning analysiert. Du führst regelmäßig Interviews mit führenden Experten auf unterschiedlichsten Gebieten wie  beispielsweise Manfred Spitzer, Klaus Bernhardt, Matthias Strolz oder Patric Heizmann. Du schreibst äußerst wissenswerte und kreative Blogbeiträge und bist auch als Coach, Trainer und Speaker sehr gefragt. Ich sehe ganz viel Kreativität in deinem alltäglichen Sein – also starten wir doch mit der Frage, was Kreativität für dich ist.

Was ist Kreativität?

Kreativität ist für mich eine Art Haltung im Alltag!

Andreas K. Giermaier: Das Ergebnis von Kreativität ist, etwas Neues, bisher Ungedachtes, Innovatives noch nie in der Form Zusammengeführtes zu erschaffen. Kreativität als Prozess einerseits ist ein Handwerk, bei dem etwas herauskommt – ob etwas Gutes oder nicht, kann derjenige bewerten, der es erzeugt hat. Allerdings glaube ich, dass der göttliche Funke erst durch die Menge überspringen kann. Denn die kreativsten Menschen sind häufig die fleißigsten: Erst beim 525. Versuch kommt etwas heraus, nicht wenn jemand ein Buch zur Hand nimmt und etwa erwartet, dass mit einer Übung sofort die perfekte Marketingstrategie gelingt – das ist, glaube ich, der falsche Zugang.

Kreativität ist für mich eine Art Haltung im Alltag – sich also auch im sogenannten Privatleben bewusst dem kreativen Erschaffen zu widmen. Und einen weiteren, wichtigen Aspekt sehe ich darin, dass du nicht allwissend sein musst, du musst aber Themen haben, bei denen du wirklich viel Ahnung hast. Und das Wissen kann aus allen möglichen Bereichen sein. Das können die Spielzeug- Eisenbahn, Autos, Kindererziehung oder irgendein Hobby sein, wichtig ist eben nur, dass derjenige darin Experte ist. Und neben dem Wissen aus einem  Hobbybereich, brauchst du auch ein großes Wissen in deinem Fachbereich, um wirklich kreativ zu sein. Denn es geht darum, diese Bereiche miteinander verbinden zu können. Und für eine solche Verknüpfung braucht es häufig auch solche Techniken, die du in deinem Buch beschreibst.

Was haben Kuhpocken mit Kreativität zu tun?

Sarah Remmel: Vielleicht hast du für die Leserinnen und Leser ein Beispiel für eine solche Verknüpfung von zwei Wissensgebieten?

Andreas K. Giermaier: Wenn man in die Geschichte der Kreativität schaut – viele Erfindungen sind solche sogenannten Zufallsfunde. Wie zum Beispiel die Pockenimpfung. Ihre Entdeckung war ein Ergebnis aus der Kombination von Medizin und Melken. Wie kam es dazu? Bis ins 18. Jahrhundert waren Menschen Infektionskrankheiten wie den Menschenpocken schutzlos ausgeliefert. Der Arzt Edward Jenner hörte, dass Melkerinnen zwar oft an Kuhpocken erkranken, aber nur selten an Menschenpocken! Und so kommt Jenner über Experimente zu dem Ergebnis, dass die Kuhpocken vor den tödlichen Menschenpocken schützen.  Das war ein unglaublich kreativer Prozess, über die Kuhpocken auf die Heilung der Menschenpocken zu kommen. Denn zu dem Zeitpunkt gab es ja noch kein Konzept von »Antikörper«. Man wusste nicht, dass spezifische Abwehrmechanismen im Körper gebildet werden. Deswegen hat es viele Untersuchungen – also Fleiß – und andererseits das Wissen um die medizinischen Komponente gebraucht … sehr faszinierend. Und solche Beispiele gab es viele in der Geschichte.

Du gehst ja auch auf einige in deinem Buch ein. Und ebenso wichtig war es, dass Jenner die logisch denkenden Schranken unseres Frontalhirns durchbrochen hat. Denn wie sollten rein rational die verschiedenen Bereichen also einerseits Melken und anderseits Medizin zusammenpassen … Drogen wie LSD haben genau den Effekt, diese Schranken zu durchbrechen. Daher wird Kreativen auch häufig nachgesagt, sie könnten nur unter Drogen kreativ sein. In gewisser Weise braucht es Drogen tatsächlich. Doch diese können wir uns selbst bauen. Wir brauchen dazu Neugierde und die richtigen Aminosäuren (Tryptophan als Vorläufer von Serotonin und Tyrosin als Vorläufer von Dopamin). Ohne diese beiden geht nichts. Aber mit ausreichender Versorgung und den Mentaltechniken, die du in deinem Buch vorstellst, wird das Drogenlabor im Gehirn aktiviert.

Pippi Langstrumpf, eine neugierige Haltung und GRIT

Sarah Remmel: Ja, das stimmt. Auf die Mentaltechniken kommen wir gleich noch zu sprechen. Was sich bei Jenner auch erkennen lässt, ist seine neugierige Haltung, die ihn ebenfalls angetrieben hat.

Andreas K. Giermaier: Ja, Neugier gegenüber dem Leben generell und gegenüber neuen Wissensgebieten. Dieses Zufallsglück tritt häufiger ein, wenn du dem Leben eine Chance dazu gibst. Das heißt auf neudeutsch Grit. Grit bezeichnet die Beharrlichkeit (perseverance) und die Leidenschaft (passion) einer Person, langfristige Ziele zu verfolgen, auch wenn diese nur mühselig zu erreichen sind – also Durchhaltevermögen (vgl. Duckworth, 2017; Giermaier, o. J.).

Sarah Remmel: Dran bleiben mit einer wissbegierigen Haltung und dem Ziel vor Augen, frei nach Pippi Langstrumpf: »Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe!«

Andreas K. Giermaier: Drei mal drei macht vier … Ja, ganz genau. Und es kann auch hilfreich sein, sich mit dem Thema zu befassen und dann tatsächlich etwas anderes zu tun und das Unterbewusstsein weiter an dem Thema arbeiten zu lassen.

Inkubationszeit für Kreativität nutzen

Sarah Remmel: Oh ja, der sogenannten Inkubationszeit vertrauen und sie zu nutzen, indem man das Problem eine längere Zeit »links liegen lässt«.

Also bei einer kniffligen Aufgabe: Befass dich intensiv damit, such nach allen möglichen Lösungen, informiere dich und mach deinen Kopf komplett voll … und dann geh schwimmen.

Andreas K. Giermaier: Ja. Das Beste ist, drüber zu schlafen. Es kann auch eine andere Beschäftigung sein. Dinge sind möglich die dich ins Jetzt holen wie zum Beispiel Sport. Das ist besonders gut wegen der schnellen Atmung. Also bei einer kniffligen Aufgabe: Befass dich intensiv damit, such nach allen möglichen Lösungen, informiere dich und mach deinen Kopf komplett voll … und dann geh schwimmen.

Bewegung und meditative Tätigkeiten als Kreativitätsboost

Sarah Remmel: Genau – Schwimmen als Metapher, doch auch als wirkliche sportliche Betätigung. Bewegung ist ja ein Kreativitätsboost. Da finden die Leserinnen und Leser auch einige Tipps zu den Rechts-links-Impulsen oder auch Bewegungen in Kapitel 4.9 »Kreativitäts-Selbstcoaching mit EMDR« und im gesamten Buch. 

Andreas K. Giermaier: Kraulschwimmen ist neben den Rechts-links-Impulsen auch wegen der Haptik so wertvoll. Diese Hautmassage regt den gesamten Lymphfluss an. Stell dir zwei Holzschubladen nebeneinander vor, die für zwei Wissensbereiche stehen – durch das Schwimmen wird das Holz durchlässig und eine Verknüpfung wird ermöglicht. Sich locker bewegen wie auch Spazierengehen im Grünen, aber kein Leistungssport wie einen Marathon – das schadet dem Körper eher.

Sarah Remmel: All das sind geniale meditative Tätigkeiten.

Wahrnehmen, was in der Natur los ist, sich kindliches Staunen zu gönnen – das ist der direkte Pfad zur Kreativität.

Kindliches Staunen als direkter Pfad zur Kreativität

Andreas K. Giermaier: Und genau diese Hingabe ist so wichtig. Sich also völlig dem Moment hinzugeben und die Gedanken im Kopf loszulassen. Handy aus und Demut! Wahrnehmen, was in der Natur los ist, sich kindliches Staunen zu gönnen – das ist der direkte Pfad zur Kreativität. Sich in Zustände zu begeben, die wir aus der Kindheit kennen, dann werden Bereiche im Gehirn getriggert, die damals in der Kindheit aktiv waren … Das Gleiche passiert bei Spielen auf Facebook und Co., bei denen Gehirnbereiche aktiviert werden, die in der Kindheit aktiv waren.

Sarah Remmel: Das sind tolle Wege in die Kreativität. Raus in die Natur zu gehen, mit allen Sinnen wahrnehmen und achtsam sein oder eben zu spielen wie früher als Kind.

Andreas K. Giermaier: Ja und für den spielerischen Weg ist Schaukeln zum Beispiel super geeignet, beim Schaukeln passiert einiges.

Sarah Remmel: Oh ja , Menschen lachen – zumindest in der Regel entstehen Glücksgefühle.

Das geht auch mithilfe von vielen anderen Tätigkeiten, die du damals gerne gemacht hast, wie Benjamin Blümchen hören – das ist sozusagen die Torö-Formel für Kreativität.

Torö-Formel für Kreativität

Andreas K. Giermaier: Das ist Regression im positiven Sinne. Der Schaukelnde ist zurückversetzt in seine Kindheit und in diesem Beispiel konstruktiv. Das geht auch mithilfe von vielen anderen Tätigkeiten, die du damals gerne gemacht hast, wie Benjamin Blümchen hören – das ist sozusagen die Torö-Formel für Kreativität (lacht).

Sarah Remmel: (lacht) Super, somit haben wir schon einige Erfolgskomponenten, um die Kreativität gehirngerecht und gesund zu entfachen. Da wird für jeden Leser etwas Passendes dabei sein. Über Spielen, kindliches Wahrnehmen und Staunen sich die  indliche Kreativität zurückerobern, zusätzlich über den Aufbau von umfassendem Wissen zu seinem eigenen Fachgebiet sowie auch der Beschäftigung mit fremden Wissensgebieten wie auch Hobbys und auch die meditative Bewegung in der Natur. Und Grit nicht zu vergessen, also dran bleiben und Fehler als Lernerfolge betrachten.

Andreas K. Giermaier: Mangel ist auch gut: sich selber beschränken, wie zum Beispiel beim Kochen mit wenigen Zutaten …

Tipps zum kreativen Wissensaufbau

Sarah Remmel: Das haben wir ja auch in den jüngsten Corona-Zeiten erlebt (vgl. Kap. 2.2.1 »Not macht erfinderisch«). In Sachen Wissensaufbau bist du ja auch Experte. Welche Tipps hast du hier für unsere Leserinnen und Leser?

Andreas K. Giermaier: Die Art und Weise, wie man sich Wissen aneignet, ist entscheidend für den Erfolg. Hier kannst du wunderbare Methoden zur Wissensaneignung nutzen wie ein KAWA (Kap. 5.3.10), Clustering oder auch Zeichnungen – auf neudeutsch Sketchnotes. Im Vergleich zum Auswendiglernen vernetzt sich das Wissen und verankert sich langfristig. Ein weiterer ganz wichtiger Aspekt fürs Lernen ist, dass wir beim Lernen immer auch Gefühle mit abspeichern. Deshalb gibt es so viele Menschen, die noch Angst vor Mathe haben, weil sie als Kinder Angst oder Sorgen hatten, als sie Mathe gelernt haben. Sich nicht gut zu fühlen und dann versuchen, kreativ zu sein, wird demnach schwer.

Why are we creative?

Sarah Remmel: Ja, absolut. Angst und Stress sind Gegenspieler von Kreativität. Also braucht es Freude und Spaß bei allem, was wir lernen und kreieren wollen. Auch in meiner Erfahrung ist die gute Stimmung ein wesentlicher Erfolgsfaktor für erfolgreiche Kreativitätsworkshops und Trainings. Eine einfache Frage möchte ich dir stellen, die auch Hermann Vaske in einem großartigen Filmprojekt, das sich über einen Zeitraum von 30 Jahren erstreckte, kreativen Genies gestellt hat (vgl. Kap. 1.5): Warum bist du kreativ, Andreas?

Kreativität ist in unseren Gehirnen angelegt, wir sind geboren, um kreativ zu sein.

Andreas K. Giermaier: Das ist der Grund unseres Daseins. Kreativität ist in unseren Gehirnen angelegt, wir sind geboren, um kreativ zu sein. Neurobiologisch sind wir alle darauf ausgerichtet. Während wir im Erschaffensprozess sind, wird Dopamin als Lustbringer ausgeschüttet. Wenn wir das Ziel erreicht haben, folgt der Serotoninrausch. Wir fühlen uns wie Helden. Dagegen wird der negative Zustand im Körper begleitet durch zu viel Adrenalin und vor allem Cortisol. Das sind unglaublich Rushes über den Tag hinweg. Alleine schon, wenn wir irgendwelche Listen abhaken hat das den gleichen Effekt. Auch im Online-Marketing wird dieser neurobiologische Effekt genutzt – jedes Like etc. ist ein kleines Stößchen Dopamin. Und wenn dieses neurobiologische Zusammenspiel aufhört, dann befinden wir uns entweder in einem Burn-out oder in einem Bore-out-Zustand. Oder möglicherweise in einer Depression, denn da geht eben auch nichts mehr mit Kreativität. Im Bore-out- Zustand langweilst du dich so sehr, dass du nichts mehr spannend findest.

Sarah Remmel: Ziel ist es also wieder, in den sogenannten Flow zu kommen, um die eigene Kraft zurückzugewinnen. Und damit auch in die kreative Kraft. (…)